Donnerstag, 29. April 2010

Wie gross ist der "Luxussegment"?

Wer die Schweizer Immobilienfachpresse verfolgt (oder, wie ich, verfolgen muss) hat schnell den Eindruck, dass der Zürcher Einfamilienhausmarkt den Privilegierten reserviert ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Medien mehr für die Extremwerte, als für die Durchschnitte interessieren. Doch ist es auch wichtig die richtigen Proportionen im Auge zu behalten.

Das Statistische Amt des Kantons Zürich hilft uns dabei. Als einer der wenigen Schweizer Kantone veröffentlicht Zürich eine jährliche Statistik aller Immobilientransaktionen. Darin erfährt man, dass der Medianpreis eines Einfamilienhauses im Jahr 2009 839'000 Franken betrug. Was lässt sich aber über die teuersten gehandelten Häuser sagen – jene Villen also, die stets für Schlagzeilen sorgen? Darüber schweigt die Statistik. Ein wenig Flair für Daten wird uns helfen, diese Frage zu beantworten.

Das Statistische Amt veröffentlicht nicht nur Medianpreise sondern auch die Werte der 25%- und 75%-Quantile. Wer schon mit Immobilienpreisdaten gearbeitet hat, weiss, dass sich die Verteilung der Preise sehr gut mit der Lognormalverteilung beschreiben lässt. Somit verfügt man über alle Elemente die notwendig sind, um aus den spärlichen Angaben des Statistischen Amtes den Verkaufspreis der teuersten Villen zu schätzen. Die Ergebnisse der Analyse sind in der folgenden Grafik abgebildet.



Die untere Reihe zeigt die Medianpreise; die obere die geschätzte Preisentwicklung der 5% teuersten Häuser, welche in einem gegeben Jahr gehandelt wurden. Im Kanton Zürich werden jährlich um die 2'500 EFH gehandelt. Die Grafik zeigt, dass die Preise dieser teuren Objekte in den letzten Jahren überdurchschnittlich stark angestiegen sind. Letztes Jahr lag die 5%-Grenze bei 1,67 Mio. Franken. Nur schätzungsweise 100 Objekte wurden für mehr als 2 Mio. verkauft. Bestimmt, eine stattliche Summe - aber ist sie wirklich so viele Schlagzeilen wert?

Montag, 26. April 2010

Trägt die Denkmalpflege die Schuld an der "Gentrification" New Yorks?

Hier der Link zu einem sehr interessanten Artikel zum Thema Denkmalpflege und Städtebau in New York. Die Einsichten gelten mutatis mutandis auch für viele Städte in Europa -- Zürich und Genf nicht ausgeschlossen.

Mittwoch, 21. April 2010

Wohneigentum für alle?

Die bereits erwähnte neue Studie des Statistischen Amtes des Kantons Zürich gibt mir den Anlass, auf frühere Kommentare zum Thema "Eigentumsquote" (endlich...) zu reagieren.

Die Studie zeigt, dass sich Wohneigentum nach wie vor auf den Vormarsch befindet. Im Kanton Zürich liegt der Treiber dieser Entwicklung eindeutig in der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. So wurden zwischen 2003 und 2008 rund 3'600 Mietwohnungen bzw. über 200'000 Quadratmeter Wohnfläche in Eigentumswohnungen umwandelt.

Insgesamt beträgt die Eigentumsquote bei Neubauten 66 Prozent, mehr als doppelt so viel als im Bestand aller Wohnobjekte (28 Prozent).

Diese Daten scheinen mir die These zu bestätigen, dass die im internationalen Vergleich tiefe Schweizer Wohneigentumsquote vorwiegend als Folge des Verbotes von Stockwerkeigentum zwischen 1912 und 1965 zurückzuführen ist. Da Stockwerkeigentum die natürliche Form von urbanem Wohneigentum ist, greift die oft angeführte (und hier wiederholte) These der "hohen Kaufpreise" zu kurz. Ausgerechnet an den teuersten Lagen wurde am meisten Wohneigentum erstellt.

Es wäre zudem interessant zu wissen, ob dieses Verbot eine einmalige Schweizer Spezialität war oder auch in anderen Ländern galt (oder gilt).

Dienstag, 20. April 2010

Der Zürichberg breitet sich aus

Dazu habe ich im Tages Anzeiger meinen Senf gegeben.

Montag, 19. April 2010

Totgesagte leben länger

In ihrer Studie zum Schweizer Immobilienmarkt vertreten die Immobilienökonomen der Credit Suisse die These, dass das Wohnmodell Einfamilienhaus "heute nicht mehr gleichermassen wie früher in der Gunst der Nachfrager steht". Begründet wird diese These hauptsächlich mit dem demografischen Wandel. Die Haushalte werden kleiner, was die Nachfrage nach Stockwerkeigentum begünstigen würde. Prompt berichteten mehrere Medien vom "Ende der Einfamilienhäuser" und von ihrem Ersatz durch Eigentumswohnungen.

Ich habe schon mehrmals (hier, hier und hier) eine ähnliche These vertreten, wenn auch nicht aus den gleichen Gründen. "Gefährdet" sehe ich nicht das Einfamilienhaus als Wohnform, sondern das freistehende EFH an guter Lage. Im Zentrum meiner Überlegungen steht zudem nicht die demografische Entwicklung – die Tücken und Schwierigkeiten der demografischen Analyse für die Prognose der zukünftigen Wohnformen sind allgemein bekannt.

Vielmehr gehe ich davon aus, dass höhere Bodenpreise in den Zentren durchaus den Anreiz schaffen, schonend mit der knappen Ressource Boden umzugehen. Beim Bauen in den Zentren wird Boden zunehmend durch Kapital substituiert, das heisst, es werden aufwendigere, höhere Gebäude realisiert, was zu einer verdichteten Bauweise führt. Aus dem gleichen Grund erwarte ich aber auch, dass das Einfamilienhaus in der Peripherie nach wie vor die beliebteste Eigentumsform bleiben wird – trotz ausklingendem Babyboom. (Als Korollar sollte ich noch meine Zweifeln erwähnen, dass sich die optimale, höhere Dichte an den guten Lagen durchsetzen lässt).

Was sagen aber die Daten aus? Eine neue Studie des Statistischen Amtes des Kantons Zürich hilft uns, die Debatte zu klären. Die Studie untersucht die Erneuerung und Verdichtung der Bausubstanz im Kanton Zürich in den letzten fünf Jahren. Die für unsere Anliegen wichtigste Tabelle ist die folgendende:

Der Bestand an Wohnflächen betrug 2008 62 Mio. Quadratmeter, was einer Pro-Kopf Wohnfläche von 46,7 Quadratmetern entspricht. Zwischen 2003 und 2008 wurden 4,9 Mio. Quadratmeter neuer Wohnfläche erstellt, 70 Prozent davon auf grüner Wiese, der Rest auf bereits überbauten Grundstücken

Laut Studie sind Ersatz- und Umbauten in den letzten fünf Jahren eher an zentralen, hochpreiseigen Lagen der Stadt Zürich und des unteren Zürichsees entstanden -- genau so wie die Theorie es vorhersagt. Durch Abbruch und Neubau wurde das vorhandene Gebäudevolumen markant verdichtet: Durchschnittlich wurde jede abgebrochene Wohnung durch zwei ersetzt. Der grösste Beitrag zur Verdichtung kam jedoch nicht aus dem Abbruch von Einfamilienhäusern sondern vor allem aus der Überbauung von Industriebrachen. Besonders viele Objekte sind in Zürich-Nord in diesem Zusammenhang entstanden.

Betrachtet man weiter die neu bebauten Grundstücke, wird es deutlich, dass der Marktanteil des Einfamilienhauses mit 29 Prozent der neuen Wohnfläche nach wie vor hoch ist. Ein Blick auf die Karten in der Publikation zeigt, dass diese neu überbauten Flächen überproportional oft an mässigen Lagen und/oder in ländlichen Gebieten zu finden sind. So lässt sich die Hälfte des Flächenzuwachses in der Region Irchel/Thur auf den Bau von Einfamilienhäusern auf der grünen Wiese zurückführen.

Die Tabelle zeigt zudem, dass die Eigentumswohnung eher ein Substitut der Mietwohnung als ein Ersatz des Einfamilienhauses ist. Der Marktanteil der Mietwohnungen beträgt bei Ersatzneubauten lediglich 27 Prozent, derjenige der Eigentumswohnungen satte 60 Prozent. Hier zeigt sich der (unbeabsichtigte) Einfluss der Mietregulierung, die den Umbau von Miet- in Eigentumswohnungen begünstigt.

Das Fazit? Solange nichts Wesentliches an der Raumplanung geändert wird und die Mobilität weiterhin stark subventioniert bleibt, sehe ich keine grossen Risiken für prospektive Einfamilienhausbesitzer. "Die Berichte über meinen Tod sind stark übertrieben" sagte mal Mark Twain. Das gleiche könnte man vom angekündigten Tod des Schweizer Einfamilienhauses behaupten.

Mittwoch, 14. April 2010

Die Stadt als Hochzeitsmarkt

Mein Kolleg Joern Schellenberg hat einen Artikel zum Umzugsverhalten der Schweizer Haushalte in der neuen Immobilienbeilage des Tages-Anzeigers geschrieben. (Die Beilage ist am 12. April erschienen; leider ist sie noch nicht online verfügbar). Jörn hat die im letzten Semester bei der Post gemeldeten Umzüge innerhalb der Schweiz ausgewertet.
Ein typisches Bild zeigt sich auf: man zieht als Single in die Stadt ein, bleibt einige Jahre und zieht später wieder als Paar aus der Stadt aus. Der Hauptgrund für den Umzug dürfte in den Lebenshaltungskosten liegen. Familien beanspruchen mehr Platz; Wohnen ist in der Agglomeration billiger.
Es gibt jedoch eine interessante Alternativerklärung. Empirische Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, in die Peripherie oder in kleinere Städte zu ziehen, mit der Heirat sprunghaft zunimmt, auch wenn die Paare keine Kinder planen. Auf der anderen Seite weisen Paare, die auf dem Land wohnen, eine deutlich erhöhte Neigung auf, an zentrale Orten zurückzukehren, wenn sie sich scheiden lassen. Ich zitiere aus einem interessanten neuen Paper von Peter Gautier und Koautoren von der Uni Amsterdam:
Cities are dense areas where singles can meet more potential partners than in rural areas. To enjoy those benefits, they are willing to pay a premium in terms of higher housing prices. Once married, the benefits from meeting more potential partners vanish and married couples move out of the city. Attractive singles benefit most from a dense market and are therefore more likely to move to the city.
Kann dies ein Grund für meinen Umzug nach Wipkingen sein?

Treffe den Stadtökonom...

Ich werde am Podiumsgespräch der SVIT-Immobilienmesse zum Thema "Immobilienmärkte und ihre Zukunft" am kommenden Samstag, den 17. April 2010, teilnehmen. Die Messe findet in der Maag-Halle in Zürich statt. Die Ökonomin der SNB, Marlene Amstad, wird ein Eingangsreferat halten. Man sieht sich dort?

Sonntag, 4. April 2010

Die verlieren in der Krise: Filmstars und Immobilieneigentümer

Welche Einwohner verlieren am meisten, wenn ihre Stadt von der Wirtschaftskrise betroffen ist?

Nehmen wir an, eine Stadt sei auf die Produktion bestimmter Güter spezialisiert, wie Detroit auf Autos, Hollywood auf Filme oder La Chaux-de-Fonds auf Uhren. Für die Produktion von diesen Gütern werden drei Inputs (auch Produktionsfaktoren genannt) benötigt: Arbeit, Kapital (Maschinen und Geräte) und Boden (Büros, Filmstudios oder Fabriken). Wenn die Nachfrage nach Autos, Filmen oder Uhren plötzlich versiegt, welcher der drei Gruppen - Arbeitnehmer, Kapitalgeber oder Immobilieneigentümer - muss mit den grössten Einkommenseinbussen rechnen?

Die elementare mikroökonomische Theorie hat eine klare Antwort: Am meisten zu verlieren haben diejenigen Faktoranbieter, die einer unelastischen Faktornachfrage gegenüberstehen. Auf Deutsch: Verlierer sind die Anbieter von jenen Produktionsfaktoren, die in einer fixen Menge verfügbar sind. Das sind beispielsweise sehr spezialisierte Arbeitnehmer wie Filmstars. Für diese Superspezialisten gibt es kaum Substitute. Das heisst aber auch, dass man Filmstars nur in Filmen einsetzen kann (oder ansonsten als Tellerwäscher). Ihre Löhne bestehen quasi ausschliesslich aus Rente. Geht die Nachfrage nach neuen Filmen zurück, werden sie eine drastische Lohnkürzung hinnehmen müssen.

Boden ist ebenfalls ein "starrer" Faktor. Die Menge an Boden lässt sich kaum vermehren. In einer spezialisierten Stadt werden also die Immobilieneigentümer in der Krise besonders leiden. Denken Sie zum Beispiel an die ehemalige DDR, die auf die Produktion von real existierendem Sozialismus spezialisiert war. Als die Nachfrage nach diesem "Gut" drastisch zurückging (und nicht schnell ersetzt werden konnte), gingen die Boden- und Immobilienpreise in den Keller. Etliche Immobilieninvestoren, die nach der Wende in den neuen Bundesländern investiert hatten, gingen Pleite. Die Löhne der mobilen Arbeitskräfte -- sobald sie den Westen erreichten -- nahmen jedoch schnell zu.