Montag, 31. Mai 2010

Shakespeare über die Verschuldung


Anbei der Entwurf für einen kurzen Artikel, der in der kommenden Immobilienbeilage der Handelszeitung erscheinen soll. Hoffentlich versteht man mich.
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Hauseigentümer ohne Schuldgefühle

"Sich und den Freund verliert das Darlehen oft." Diese Weisheit aus Shakespeares Hamlet hat sich der Bundesrat zu Eigen gemacht, als er vor kurzem ankündigte, den Steuerabzug für Schuldzinsen generell abschaffen zu wollen. Als indirekter Gegenvorschlag zur Initiative des Hauseigentümerverbandes "Sicheres Wohnen im Alter" wird er nun dem Parlament eine Botschaft vorlegen, welche zudem die Abschaffung der Abzüge für Unterhaltskosten und des Eigenmietwertes vorsieht.

Für manche Beobachter zieht der Bundesrat direkt die Lehre aus der Finanzkrise. Diese habe gezeigt, wie riskant Verschuldung sein kann. Was dabei oft vergessen wird: Den Risiken stehen auch erhebliche Vorteile gegenüber. Dank Hypothekarkrediten haben die Haushalte die Möglichkeit, ihren Konsum über den Lebenzyklus hinweg zu glätten. Kaum jemand fände es vorteilhaft, sich erst mit 65 den Kauf eines Eigenheimes leisten zu können.

In diesem Zusammenhang wird oft vor der angeblich stattlichen Verschuldung der Schweizer Eigentümer gewarnt. Ende 2009 lasteten auf den Schweizer Eigenheimbesitzern Hypotheken von insgesamt 546 Milliarden Franken, das entsprach 102 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Damit weist unser Land einen weltweiten Spitzenwert auf, der nur von... Island (120%) übertroffen wird.
 

Doch der Vergleich hinkt. In der Schweiz ist das Verhältnis von Immobilienpreisen bzw. Hypothekarschulden zu den Mieten und zum BIP seit Jahrzehnten höher als anderswo. Anders gesagt: Die Bruttorendite von Immobilien – der Kehrwert des Immobilienpreis/Miete-Verhältnisses -- war in der Schweiz schon immer tief. Dies ist vor allem auf das tiefe Realzinsniveau und auf die tiefe Inflationsrate zurückzuführen.

Entscheidend für die Bestimmung des Hypothekarrisikos ist nicht das Ausmass der Verschuldung sondern die Höhe der Belehnung - das Verhältnis der Hypothekarschuld zum Wert der verpfändeten Liegenschaft. Gute Statistiken zur Hypothekarverschuldung der Schweizer Eigentümer sind Mangelware. Zahlen der SNB suggerieren, dass die durchschnittliche Belehnung im Eigenheimbereich bloss 44 Prozent beträgt, Tendenz fallend. Schätzungen der Ausfallrate, d.h. des Anteils der Schuldner, die ihren Zinszahlung nicht nachkommen, bewegen sich im unteren Promillebereich.

Angesichts dieser Zahlen erstaunt es eher, dass die Banken in der Schweiz nicht aggressivere, sprich, höher belehnte Eigenheimhypotheken anbieten. Dies ist in anderen Immobilienmärkten, die bisher die Finanzkrise ebenfalls ohne grösseren Schaden gemeistert haben, gang und gäbe. So weisen 16% der Hypotheken der holländischen Rabobank, eine der wenigen Banken der Welt, die das Triple-A Rating bisher behalten konnte, eine Belehnung von über 100 Prozent aus. Dennoch betrugen letztes Jahr die ausgewiesenen Kreditverluste der Rabobank in dieser Sparte bloss 3 Promille der Ausleihungen – so tief wie in der Schweiz.

Niemand schlägt ernsthaft vor, die Schweizer Banken sollten das holländische Modell nachahmen. Doch zum guten Risikomanagement gehört auch die faire Einschätzung der Risiken. Wer dies tut, wird die vorsichtige Risikopolitik der Schweizer Hypothekenbanken in den letzten 15 Jahren anerkennen müssen.
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