Samstag, 30. Januar 2010

Wer baut nachhaltig?

"Nachhaltigkeit" ist in aller Munde, wenn man diesen Bericht aus dem WEF in Davos glaubt. In der Schweiz wird nicht nur viel darüber geredet; es wird auch vermehrt "nachhaltig" gebaut. Die regionalen Unterschiede sind jedoch beträchtlich: in Zürich und Genf erfüllt mehr als ein Drittel der neuen Wohnungen den Minergie-Standard. In Lausanne hingegen wurden zwischen 2004 und 2008 bloss 2 Prozent der Neubauten entsprechend zertifiziert. Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Ich schlage drei (mehr oder weniger testbare) Hypothesen vor:
  1. Minergie-Häuser werden eher da gebaut, wo viel gebaut wird (das ist beinahe eine Tautologie).
  2. Minergie-Häuser werden da gebaut, wo "Grüne" Wähler ansässig sind.
  3. Minergie-Häuser werden da gebaut, wo die Subventionen besonders grosszügig sind.
  4. Minergie-Häuser werden da gebaut, wo die Mieter/Eigentümer über ein höheres Einkommensniveau verfügen.
Kann sich jemand weitere Hypothesen ausdenken, die ich testen könnte?

Sonntag, 24. Januar 2010

Lohnen sich Immobilienschätzungen?

Stellen sie sich vor, sie möchten ihren Anteil an einem Haus, das sie im Miteigentum besitzen, der anderen Partei verkaufen. Diese Partei ist bereit, ihren Anteil zum Schätzpreis zu übernehmen. Für die Preisbestimmung stehen ihnen zwei Alternativen zur Verfügung: Sie können eine Schätzung durch einen Schätzexperten durchführen lassen oder eine vereinfachte Online-Schätzung vornehmen, wie sie beispielsweise homegate.ch anbietet. In der einfachsten Variante ist die Online-Schätzung bereits ab 15 Fr. verfügbar. Die Schätzung eines professionellen Schätzers mit Besichtigung vor Ort kostet um die 800 Fr. Lohnt sich der Aufwand?

Um diese Frage zu beantworten, möchte ich ein kleines Gedankenexperiment durchführen. Ich nehme mal an, dass beide Methoden unverzerrte Schätzungen liefern bzw. dass sowohl der Schätzer als auch das Online-Tool nicht systematisch daneben liegen. Die Antwort hängt dann von der relativen Genauigkeit der Schätzverfahren ab. Erfahrungsgemäss beträgt der Standardfehler eines statistischen Modells wie jenes von homegate.ch um die 15%. Im Klartext: in 2/3 der Fälle liegt die Schätzung innerhalb eines Intervalls von +/-15% um den wahren, jedoch unbekannten, Hauswert. Ein Immobilienschätzer müsste in der Lage sein, diesen Fehler weiter zu reduzieren. Durch eine Besichtigung kann er zahlreiche preisbestimmenden Eigenschaften eruieren, die in den einfachen Online-Tools nicht berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass der Online-Rechner ihm ebenfalls zur Verfügung steht... Nehmen wir also an, dass der Standardfehler des Schätzers nur 10 Prozent beträgt.

Wie lautet also die Antwort? Ein Stück des Puzzles fehlt uns noch. Die billigere Variante (Online-Rechner) ist riskanter als die Profischätzung, weil sie häufiger zu tiefe oder zu hohe Schätzungen liefert -- die Streuung des Schätzfehlers ist ja grösser. Die Entscheidung für die eine oder andere Methode hängt also auch von ihrer Abneigung gegenüber Risiken ab (Risikoaversion). Unter einer "normalen" Risikoaversion lässt sich zeigen, dass man ungefähr 0,6 Prozent des Hauswertes ausgeben sollte, um den Standardfehler der Schätzung von 15 Prozent auf 10 Prozent zu reduzieren (*). Ist der Haus Fr. 500'000 wert, sind das über drei Tausend Franken.

Information hat in diesem Fall einen hohen Wert. Unter diesen Bedingungen lohnt sich, einen Profischätzer zu beauftragen.

(*) Ich verwende dabei die Approximierung von De Finetti-Arrow-Pratt mit einem Koeffizient der relativen Risikoaversion von 1. Die Prämiedifferenz beträgt dann (1/2)*(0.15^2-0.1^2) = 0.625%.

Montag, 18. Januar 2010

Die Ökonomie des Schrebergartens

Kleingärten stellen eine private Nutzung des öffentlichen Bodens dar. Wird die Allgemeinheit für diese Nutzung fair entschädigt? Sind unsere Schrebergärten volkswirtschaftlich sinnvoll?
In der Stadt Zürich kann ein Kleingarten mit einer Fläche von 150 m2 für Fr. 400 pro Jahr gemietet werden. Wie hoch ist der Wert einer alternativen Verwendung des Grundstückes? Betrachten wir zwei mögliche Nutzungen: die Verwendung als Wohnbauland und als öffentlicher Park.  Der durchschnittliche Bodenpreis für Wohnbauland liegt in Zürich bei (mindestens) 1'500 Fr. pro m2. Je nach angenommener Verzinsung entspricht dies einer Bodenmiete von 100 bis 200 Fr. pro Jahr und Quadratmeter. Nach dieser Rechnung stellt die Nutzung einer Parzelle als Schrebergarten eine Verschwendung der knappen städtischen Bodenressourcen dar.

Wie sieht die Rechnung im Vergleich zum öffentlichen Park aus? Hier ist eine Bewertung schwieriger. Parkanlagen kosten Geld, bringen jedoch meistens keine direkten Einnahmen. Das heisst natürlich nicht, dass sie keinen Wert haben. Jogger, Frischverliebte und Picknicker ziehen zweifellos einen Nutzen aus einem Parkbesuch. Zahlreiche Studien haben versucht, diesen Nutzen zu quantifizieren. Die Bewertungen gehen auseinander, weisen aber auf einen hohen Wert der Naherholungsgebiete auf – im Bereich von einige Hundert Franken pro Einwohner und Jahr.

Passionierte Hobbygärtner werden einwenden, dass die Schrebergärten einen wertvollen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft leisten. Im Jargon der Ökonomen: sie generieren externe Effekte. Dies mochte im 19. Jahrhundert noch zutreffen, als "die Gartenarbeit zu Fleiss und Familiensinn erziehen und die Arbeiter von Alkohol und Politik fernhalten sollte" (Historisches Lexikon der Schweiz).

Es ist jedoch wahrscheinlich, dass bei einem öffentlichen Park deutlich höhere positiven externen Effekten anfallen. Bereits 1860 hatte der Landschaftsarchitekt Frederick Law Olmsted – Planer des Central Park in New York – geschätzt, dass mit dem Bau der Parkanlage sich die Preise der angrenzenden Liegenschaften verdoppelt hatten. Die damit verbundenen zusätzlichen Steuereinnahmen hatten die Stadt New York für die gesamten Baukosten (inkl. Opportunitätskosten) mehr als entschädigt. Es ist schwer zu glauben, dass beim Bau einer Kleingartenanlage, der gleiche Effekt stattgefunden hätte.

Montag, 11. Januar 2010

Zürich (fast) so kreativ wie Berlin

Ich habe endlich mit der Lektüre von Richard Floridas Bestseller, The Rise of the Creative Class, angefangen. Interessanterweise hat noch niemand im deutschsprachigen Raum einen Bohemian Index berechnet. Die informativen Zürcher Kreativwirtschaftsberichte, die bestimmt von Floridas Buch inspiriert wurden, vergleichen zwar Zürichs Kreativitätsbranchen mit den nationalen Zahlen, nicht jedoch systematisch mit denen anderer Schweizer Städte. Das wäre mal einer sinnvollen FH-Diplomarbeit wert.
Dem jüngsten Bericht entnehme ich allerdings, dass die Kreativwirtschaft in der Agglomeration Zürich (57'000 Beschäftigte im Jahr 2005) in etwa gleich gross ist wie jene in Berlin (68'000 Beschäftigte). Trotz der hohen Zahl der Zürcher Kreativen ist ihr Beitrag an der Wertschöpfung des Kantons mit 4,5% noch nicht wirklich matchentscheidend. Aber Coolness hat bestimmt hohe positiven externen Effekte...

Freitag, 8. Januar 2010

Immobilien und Einwanderung

Heute hat die Neue Zürcher Zeitung meinen Artikel zum Thema Mieten & Einwanderung (und vieles mehr) veröffentlicht. Leider nur in der Print-Ausgabe. Alle zum Kiosk also...

UPDATE: Der Artikel ist jetzt auch online verfügbar. Hier der Link.

Dienstag, 5. Januar 2010

Der Immobiliencrash von... 1350

Als Ergänzung zum hastigen Post von gestern möchte ich auf die informativen Zeitreihen zum Immobilienmarkt, welche der französische Ökonom Jacques Friggit über die Jahre angesammelt hat. Wenn Sie sich fragen, wie sich die Immobilienpreise in Paris seit 1250 entwickelt haben, dann schauen Sie hier nach.
Interessant sind die Ausführungen zum (sehr) langfristigen Zusammenhang zwischen Haushaltseinkommen und Immobilienpreisen in verschiedenen Ländern (F, NL, USA und N). In all diesen Ländern sind die Immobilienpreise höchstens so stark angestiegen wie das durchschnittliche Haushaltseinkommen - und dies trotz unterschiedlichen demografischen Trends, politischen Rahmenbedingungen, Finanzierungskosten usw.

Montag, 4. Januar 2010

Was die Immobilienpreise (und die Leser) bewegt


Der Stadtökonom ist wieder im Lande. Was hat er in den letzten Wochen verpasst? Zum Beispiel eine Kontroverse über die Wirkung der Einwanderung auf die Immobilienpreise. Eine Studie von Ökonomen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat den überdurchschnittlichen Anstieg der Immobilienpreise in gewissen Schweizer Regionen zwischen 2001 und 2006 unmittelbar auf die Einwanderung zurückgeführt.
Meiner Meinung nach reicht die kurze Zeitspanne, mit der sich die SNB-Studie befasste, nicht, um die Frage umfassend zu beantwort. Hierzulande lassen sich neue Wohnungen nicht über Nacht erstellen. Von der Planung bis zum Bezug der Wohnung vergehen oft Jahre. Im Ökonomenjargon ausgedrückt: das Wohnungsangebot ist kurzfristig unelastisch. Es erstaunt daher nicht, dass die zusätzliche Wohnraumnachfrage, die mit einer unerwarteten Einwanderungswelle einhergeht, kurzfristig zu höheren Mieten und Preisen führen kann. Es ist jedoch zu erwarten, dass früher oder später die Immobilieninvestoren auf diese Signale reagieren und das Angebot entsprechend erweitern werden. Als wichtigster Faktor für die Preisentwicklung tippe ich auf das Einkommen. Zahlreiche Studien dokumentieren diesen Zusammenhang, nicht zuletzt dieses häufig zitierte Papier von Chip Case und Bob Shiller.