Sonntag, 24. Januar 2010

Lohnen sich Immobilienschätzungen?

Stellen sie sich vor, sie möchten ihren Anteil an einem Haus, das sie im Miteigentum besitzen, der anderen Partei verkaufen. Diese Partei ist bereit, ihren Anteil zum Schätzpreis zu übernehmen. Für die Preisbestimmung stehen ihnen zwei Alternativen zur Verfügung: Sie können eine Schätzung durch einen Schätzexperten durchführen lassen oder eine vereinfachte Online-Schätzung vornehmen, wie sie beispielsweise homegate.ch anbietet. In der einfachsten Variante ist die Online-Schätzung bereits ab 15 Fr. verfügbar. Die Schätzung eines professionellen Schätzers mit Besichtigung vor Ort kostet um die 800 Fr. Lohnt sich der Aufwand?

Um diese Frage zu beantworten, möchte ich ein kleines Gedankenexperiment durchführen. Ich nehme mal an, dass beide Methoden unverzerrte Schätzungen liefern bzw. dass sowohl der Schätzer als auch das Online-Tool nicht systematisch daneben liegen. Die Antwort hängt dann von der relativen Genauigkeit der Schätzverfahren ab. Erfahrungsgemäss beträgt der Standardfehler eines statistischen Modells wie jenes von homegate.ch um die 15%. Im Klartext: in 2/3 der Fälle liegt die Schätzung innerhalb eines Intervalls von +/-15% um den wahren, jedoch unbekannten, Hauswert. Ein Immobilienschätzer müsste in der Lage sein, diesen Fehler weiter zu reduzieren. Durch eine Besichtigung kann er zahlreiche preisbestimmenden Eigenschaften eruieren, die in den einfachen Online-Tools nicht berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass der Online-Rechner ihm ebenfalls zur Verfügung steht... Nehmen wir also an, dass der Standardfehler des Schätzers nur 10 Prozent beträgt.

Wie lautet also die Antwort? Ein Stück des Puzzles fehlt uns noch. Die billigere Variante (Online-Rechner) ist riskanter als die Profischätzung, weil sie häufiger zu tiefe oder zu hohe Schätzungen liefert -- die Streuung des Schätzfehlers ist ja grösser. Die Entscheidung für die eine oder andere Methode hängt also auch von ihrer Abneigung gegenüber Risiken ab (Risikoaversion). Unter einer "normalen" Risikoaversion lässt sich zeigen, dass man ungefähr 0,6 Prozent des Hauswertes ausgeben sollte, um den Standardfehler der Schätzung von 15 Prozent auf 10 Prozent zu reduzieren (*). Ist der Haus Fr. 500'000 wert, sind das über drei Tausend Franken.

Information hat in diesem Fall einen hohen Wert. Unter diesen Bedingungen lohnt sich, einen Profischätzer zu beauftragen.

(*) Ich verwende dabei die Approximierung von De Finetti-Arrow-Pratt mit einem Koeffizient der relativen Risikoaversion von 1. Die Prämiedifferenz beträgt dann (1/2)*(0.15^2-0.1^2) = 0.625%.
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