Freitag, 10. Juni 2011

Baugenossenschaften kosten mehr als ich dachte

Wie hoch sind die volkswirtschaftlichen Kosten der Wohnbaugenossenschaften in Zürich? Dazu hatte ich einen Beitrag verfasst, der die Gemüter einiger Baugenossen erhitzte. Ich muss nun zugestehen, dass meine Einschätzung der Zürcher Wohnbauförderung verzerrt war: Die Kosten sind höher als ich ursprünglich dachte.

Der Grund? Das Glück der Wohnbaugenossen und der Bewohner der städtischen Liegenschaften ist nicht ganz so ungetrübt wie ich meinte. Diese Mieter erhalten zwar eine erhebliche implizite Subvention – ich schätze sie auf ca. 200 Mio. Franken pro Jahr, rund 2'600 Franken pro Mieter (Babys inklusive). Auf der anderen Seite müssen sie jedoch in kleineren Wohnungen wohnen, als was ihnen lieber wäre. Aus Sicht der Volkswirtschaft entstehen damit Kosten, die ich in meiner Kosten-/Nutzenanalyse unterlassen hatte.

Um meine Auslassung besser zu verstehen, lohnt es sich zuerst einen Blick auf die folgende Abbildung zu werfen. Diese stellt schematisch die individuelle Nachfrage nach Wohnfläche in der Stadt Zürich dar. Die Miete auf dem Privatmarkt betrug im Jahr 2006 gemäss Mietstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik 266 Franken pro Quadratmeter und Jahr. Gemäss Volkszählung 2000 beanspruchten die Mieter in diesem Segment ca. 40 Quadratmeter pro Person. 

Wer in einer gemeinnützigen Wohnung wohnte, zahlte im Jahr 2006 nur 188 Franken pro Quadratmeter und Jahr, rund 30 Prozent weniger als auf dem Privatmarkt. Man könnte erwarten, dass der typische Bewohner einer Genossenschaft bei einer derart tiefen Miete mehr Wohnraum konsumieren würde, als ein vergleichbarer Mieter in einer privaten Wohnung. Dem ist aber nicht so. Die Wohnfläche pro Person ist im gemeinnützigen Segment mit ca. 33 Quadratmetern deutlich kleiner als bei den übrigen Mietwohnungen. Die Zürcher Baugenossenschaften halten sich also an ihre Belegungsvorschriften. Diese sehen vor, dass die Anzahl Zimmer nicht mehr als die Anzahl der Personen im Haushalt plus 1 beträgt. Der Wohnraumkonsum der Genossenschaftsmieter ist durch die Vorschriften der Baugenossenschaften rationiert. 

Wie "lästig" ist diese Einschränkung für die Genossenschaftsmieter? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die grün eingefärbte Fläche in der Abbildung quantifizieren. Der Wert der blauen Fläche ist bereits bekannt: diese stellt die 2'600 Franken Subvention dar, welche die Genossenschaftsmieter erhalten. Die grüne Fläche hingegen entspricht jenen Kosten, die diese Mieter zu tragen haben, wenn sie von der Baugenossenschaft eine kleinere Wohnung erhalten, als was sie sich auf dem privaten Markt leisten würden. (Nota bene: Durchschnittseinkommen und Vermögen der Genossen unterscheiden sich kaum von jenem der übrigen Mieter; ihre Wohnflächenachfrage ist also vergleichbar. Ich nehme bei beiden Gruppen eine konstante Preiselastizität der Nachfrage von –0.5 an).

Ich schätze diese Kosten auf ca. 30 Mio. Franken pro Jahr, was rund einem Sechstel der Subvention entspricht. Die Bewohner von Wohnbaugenossenschaften erhalten ein Geschenk im Wert von 2'600 Franken, das ihnen jedoch nur 2'200 Franken wert ist. Volkswirtschaftlich gesehen handelt es sich um Wohlfahrtsverluste, die zu den weiteren, im Beitrag erwähnten Kosten der Wohnbauförderung angerechnet werden müssen.  

Diese Analyse erlaubt einige weitere nette Auswertungen. Bleiben sie dran.

 
Hat Tip: Patrik Schellenbauer
blog comments powered by Disqus