Freitag, 24. Juni 2011

Pauschalbesteuerung und Immobilienpreise – gibt es einen Zusammenhang?

Eine Version dieses Beitrags ist heute in der Print-Ausgabe der NZZ erschienen.
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Etwas mehr als 5'000 in der Schweiz wohnhafte, vermögende Ausländer – darunter einige Formel 1-Piloten, alternde Rockstars und Silvio Berlusconis Ex-Schwiegermutter – werden pauschal besteuert. Die Bemessungsgrundlage der Einkommenssteuer richtet sich in ihrem Fall nicht nach dem tatsächlichen Einkommen, sondern vorwiegend nach ihren Wohnausgaben in der Schweiz.

Ohne auf die Vor- und Nachteile dieser Besteuerungsform eingehen zu wollen, stellt sich die vielzitierte Frage, ob eine Abschaffung der Pauschalbesteuerung und der mögliche Wegzug dieser wohlhabenden Steuerzahler zu einem Einbruch der Preise für Luxusobjekte führen würde.

Diese Frage lässt sich am bestem mit Hilfe eines kleinen Gedankenexperimentes klären. Man stelle sich vor, ein bekannter Milliardär – wir nennen ihn Dagobert Duck – sei auf der Suche nach einer Villa in einer steuergünstigen Waadtländischen Gemeinde. Ein lokaler Makler hat ein passendes Objekt ausfindig gemacht, das zum Verkauf steht. Zum Leidwesen von Duck haben noch weitere Personen ihr Interesse am Objekt angemeldet. Im Unterschied zu Dagobert sind diese Interessenten jedoch keine Milliardäre, sondern bloss Millionäre. Ducks Vermögen übertrifft also jenes der Mitbietenden um ein Vielfaches. Wie viel soll Duck für das Objekt bieten?

Als Milliardär wäre er durchaus in der Lage, deutlich mehr als seine Mitbewerber zu zahlen. Das ist allerdings gar nicht nötig. Um die Villa zu erwerben, muss Dagobert Duck bloss das zweithöchste Gebot um einen Franken überbieten. Der Liegenschaftspreis drückt also nicht Ducks Zahlungsbereitschaft aus. Sie entspricht jener des meistbietenden Millionärs, der beim Hauskauf leer ausgeht.

Nun kommt für Duck eine böse Überraschung. Kurz vor Verkaufsabschluss erfährt er, dass demnächst eine Sondersteuer auf seinem Vermögen eingeführt werden soll. Die „Lex Dagobert“ trifft nur Milliardäre. Millionäre sollen ausdrücklich davon verschont bleiben. Angenommen Duck sei am Villenkauf weiterhin interessiert, wird er sein Angebot angesichts der künftig höheren Steuerbelastung überdenken?

Auf keinen Fall. Die Situation der mitbietenden Millionäre hat sich nicht verändert. Sie werden ihre Zahlungsbereitschaft für das Objekt nicht revidieren. Folglich wird Duck für den Erwerb der Villa gleich viel ausgeben müssen.

Die Analogie mit der Pauschalbesteuerung ist offensichtlich. Sogar im Kanton Waadt, in dem ein Viertel aller Pauschalbesteuerten der Schweiz angesiedelt sind, stellt diese Gruppe bloss 0,3 Prozent der Steuerzahler dar. Wie der Dagobert Duck unseres Gedankenexperimentes üben sie einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Immobilienpreise aus. Es sind die – relativ gesehen – etwas tieferen Einkommensklassen, welche dafür verantwortlich sind, dass in der Schweiz einen umgekehrten Zusammenhang zwischen Steuerbelastung in einer Gemeinde und Immobilienpreisen  beobachtet wird. 

Schätzungen der Zürcher Kantonalbank zeigen, dass innerhalb des Kantons Zürich die Häuserpreise um 1 Prozent steigen, wenn der Gemeindesteuersatz um 10 Prozent sinkt, also zum Besipiel von 120 auf 108. Ein Eigenheim im Wert von 800'000 Franken kostet darum in einer Gemeinde mit 10 Prozent tieferen Steuern 8'000 Franken mehr.


Nicht sämtliche Steuervorteile werden in den Boden- und Immobilienpreisen kapitalisiert. Wäre dies der Fall, hätte der "Steuertourismus" nie eingesetzt. Jede Steuersenkung wäre automatisch durch eine entsprechende Erhöhung der Immobilienpreise kompensiert. Für Haushalte mit den höchsten Einkommen kann sich ein Umzug in eine steuergünstige Gemeinde durchaus lohnen. Eine eventuelle Abschaffung der Pauschalbesteuerung wird demanch keinen Immobiliencrash rund um den Genfersee verursachen. Dies heisst aber auch, dass sie für den starken Anstieg der Immobilienpreise in diesen Regionen nicht verantwortlich gemacht werden können.
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