Montag, 19. April 2010

Totgesagte leben länger

In ihrer Studie zum Schweizer Immobilienmarkt vertreten die Immobilienökonomen der Credit Suisse die These, dass das Wohnmodell Einfamilienhaus "heute nicht mehr gleichermassen wie früher in der Gunst der Nachfrager steht". Begründet wird diese These hauptsächlich mit dem demografischen Wandel. Die Haushalte werden kleiner, was die Nachfrage nach Stockwerkeigentum begünstigen würde. Prompt berichteten mehrere Medien vom "Ende der Einfamilienhäuser" und von ihrem Ersatz durch Eigentumswohnungen.

Ich habe schon mehrmals (hier, hier und hier) eine ähnliche These vertreten, wenn auch nicht aus den gleichen Gründen. "Gefährdet" sehe ich nicht das Einfamilienhaus als Wohnform, sondern das freistehende EFH an guter Lage. Im Zentrum meiner Überlegungen steht zudem nicht die demografische Entwicklung – die Tücken und Schwierigkeiten der demografischen Analyse für die Prognose der zukünftigen Wohnformen sind allgemein bekannt.

Vielmehr gehe ich davon aus, dass höhere Bodenpreise in den Zentren durchaus den Anreiz schaffen, schonend mit der knappen Ressource Boden umzugehen. Beim Bauen in den Zentren wird Boden zunehmend durch Kapital substituiert, das heisst, es werden aufwendigere, höhere Gebäude realisiert, was zu einer verdichteten Bauweise führt. Aus dem gleichen Grund erwarte ich aber auch, dass das Einfamilienhaus in der Peripherie nach wie vor die beliebteste Eigentumsform bleiben wird – trotz ausklingendem Babyboom. (Als Korollar sollte ich noch meine Zweifeln erwähnen, dass sich die optimale, höhere Dichte an den guten Lagen durchsetzen lässt).

Was sagen aber die Daten aus? Eine neue Studie des Statistischen Amtes des Kantons Zürich hilft uns, die Debatte zu klären. Die Studie untersucht die Erneuerung und Verdichtung der Bausubstanz im Kanton Zürich in den letzten fünf Jahren. Die für unsere Anliegen wichtigste Tabelle ist die folgendende:

Der Bestand an Wohnflächen betrug 2008 62 Mio. Quadratmeter, was einer Pro-Kopf Wohnfläche von 46,7 Quadratmetern entspricht. Zwischen 2003 und 2008 wurden 4,9 Mio. Quadratmeter neuer Wohnfläche erstellt, 70 Prozent davon auf grüner Wiese, der Rest auf bereits überbauten Grundstücken

Laut Studie sind Ersatz- und Umbauten in den letzten fünf Jahren eher an zentralen, hochpreiseigen Lagen der Stadt Zürich und des unteren Zürichsees entstanden -- genau so wie die Theorie es vorhersagt. Durch Abbruch und Neubau wurde das vorhandene Gebäudevolumen markant verdichtet: Durchschnittlich wurde jede abgebrochene Wohnung durch zwei ersetzt. Der grösste Beitrag zur Verdichtung kam jedoch nicht aus dem Abbruch von Einfamilienhäusern sondern vor allem aus der Überbauung von Industriebrachen. Besonders viele Objekte sind in Zürich-Nord in diesem Zusammenhang entstanden.

Betrachtet man weiter die neu bebauten Grundstücke, wird es deutlich, dass der Marktanteil des Einfamilienhauses mit 29 Prozent der neuen Wohnfläche nach wie vor hoch ist. Ein Blick auf die Karten in der Publikation zeigt, dass diese neu überbauten Flächen überproportional oft an mässigen Lagen und/oder in ländlichen Gebieten zu finden sind. So lässt sich die Hälfte des Flächenzuwachses in der Region Irchel/Thur auf den Bau von Einfamilienhäusern auf der grünen Wiese zurückführen.

Die Tabelle zeigt zudem, dass die Eigentumswohnung eher ein Substitut der Mietwohnung als ein Ersatz des Einfamilienhauses ist. Der Marktanteil der Mietwohnungen beträgt bei Ersatzneubauten lediglich 27 Prozent, derjenige der Eigentumswohnungen satte 60 Prozent. Hier zeigt sich der (unbeabsichtigte) Einfluss der Mietregulierung, die den Umbau von Miet- in Eigentumswohnungen begünstigt.

Das Fazit? Solange nichts Wesentliches an der Raumplanung geändert wird und die Mobilität weiterhin stark subventioniert bleibt, sehe ich keine grossen Risiken für prospektive Einfamilienhausbesitzer. "Die Berichte über meinen Tod sind stark übertrieben" sagte mal Mark Twain. Das gleiche könnte man vom angekündigten Tod des Schweizer Einfamilienhauses behaupten.
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