Montag, 22. November 2010

Die Steuerinitiative, Dagobert Duck und die Immobilienpreise

„Grenzsteuersatz“ droht zum Wort des Jahres zu werden, falls am kommenden 28. November das Stimmvolk – entgegen den letzten Umfragen – die Steuerinitiative der SP annähme. Diese verlangt die Einführung von Mindestgrenzsteuersätzen auf Vermögen und Einkommen. Im Vorfeld der Abstimmung wird die Frage nach der Auswirkung der Steuerinitiative auf die Immobilienpreise in den steuergünstigen Kantone kontrovers diskutiert. Würde die höhere Belastung der höchsten Einkommen und Vermögen zu einem Einbruch der Preise führen? Eine Analyse der Zürcher Immobilienberatungsfirma IAZI sagt sogar Preisrückgänge von beinahe 30 Prozent in gewissen Schwyzer Gemeinden voraus. Ist das realistisch? Oder, allgemeiner gefragt: Inwiefern schlagen sich lokale Unterschiede in der Steuerbelastung in den Immobilienpreisen nieder?

Diese Fragen lassen sich am bestem mit Hilfe eines kleinen Gedankenexperimentes klären. Man stelle sich vor, ein bekannter Milliardär – wir nennen ihn Dagobert Duck – sei auf der Suche nach einer Villa in einer steuergünstigen Schwyzer Gemeinde. Ein lokaler Makler hat ein passendes Objekt ausfindig gemacht, das zum Verkauf steht. Zum Leidwesen von Duck haben noch weitere Personen ihr Interesse am Objekt angemeldet. Im Unterschied zu Dagobert sind diese Interessenten jedoch keine Milliardäre, sondern bloss Millionäre. Ducks Vermögen übertrifft also jenes der Mitbietenden um ein Vielfaches. Wie viel soll Duck für das Objekt bieten?

Als Milliardär wäre er durchaus in der Lage, deutlich mehr als seine Mitbewerber zu zahlen. Das ist allerdings gar nicht nötig. Um die Villa zu erwerben, muss Dagobert Duck bloss einen Franken mehr als das zweithöchste Gebot bieten. Der Liegenschaftspreis drückt also nicht Ducks Zahlungsbereitschaft aus. Sie entspricht jener des meistbietenden Millionärs, der beim Hauskauf leer ausgeht.

Nun kommt für Duck eine böse Überraschung. Kurz vor Verkaufsabschluss erfährt er, dass demnächst eine Sondersteuer auf seinem Vermögen eingeführt werden soll. Die „Lex Dagobert“ trifft nur Milliardäre. Millionäre sollen ausdrücklich davon verschont bleiben. Angenommen Duck sei am Villenkauf weiterhin interessiert, soll er sein Angebot überdenken?

Auf keinen Fall. Die Situation der mitbietenden Millionäre hat sich nicht verändert. Sie werden ihre Zahlungsbereitschaft für das Objekt nicht revidieren. Folglich wird Duck für den Erwerb der Villa gleich viel ausgeben müssen.

Die Analogie mit den möglichen Auswirkungen der Steuerinitiative ist offensichtlich. Schweizweit würden die revidierten Grenzsteuersätze nur einen sehr kleinen Anteil der Steuerzahler betreffen. Sogar in Wollerau wären weniger als 15 Prozent der Steuerzahler von der Erhöhung der Grenzsteuersätze auf der Einkommenssteuer betroffen. Zudem versteuerten im Jahr 2006 „nur“ 12 Prozent der Steuerpflichtige ein Vermögen von mehr als zwei Millionen und wären somit von den höheren marginalen Vermögenssteuersätzen tangiert. Wie der Dagobert Duck unseres Gedankenexperimentes üben die reichsten Zuzüger in diesen Gemeinden einen geringen Einfluss auf die Preise aus. Womöglich ist die Wirkung auf einige Luxusvillenviertel begrenzt. So gesehen erscheint der angekündigte Preiszerfall schlichtweg unrealistisch.

Üben also Unterschiede in der Steuerbelastung keine Wirkung auf die Immobilienpreise aus? Doch, sehr wohl. Das Regionenrating der ZKB zeigt, dass die Eigenheimpreise in Wollerau – obwohl deutlich tiefer als in der Stadt Zürich und an der Goldküste – circa 15 Prozent höher als in den benachbarten Zürcher Gemeinden liegen. Der Unterschied lässt sich direkt auf die tiefere Steuerbelastung zurückführen. Es sind jedoch die, relativ gesehen, etwas tieferen Einkommensklassen, welche die Preise in der Gemeinde bewegen – nicht die Spitzenverdiener. Die steuerliche Belastung des wohlhabenden Mittelstandes würde auch nach einer Annahme der Initiative niedriger als in den umliegenden Gemeinden bleiben. Die Eigenheimpreise würden entsprechend auf dem höheren Niveau verharren.

Zusammenfassend stellen wir fest, dass nicht sämtliche Steuervorteile in den Boden- und Immobilienpreisen kapitalisiert werden. Wäre dies der Fall, hätte der "Steuertourismus" nie eingesetzt. Für die Haushalte mit den höchsten Einkommen kann sich ein Umzug in eine steuergünstige Gemeinde durchaus lohnen. Unser Gedankenexperiment zeigt jedoch auf, dass eine Erhöhung der Steuerbelastung, welche möglicherweise nur wenige Steuerzahler betrifft, keinen allgemeinen Immobiliencrash in der Zentralschweiz verursachen wird.

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