„Grenzsteuersatz“ droht zum Wort des Jahres zu werden, falls am kommenden 28. November das Stimmvolk – entgegen den letzten Umfragen – die Steuerinitiative der SP annähme. Diese verlangt die Einführung von Mindestgrenzsteuersätzen auf Vermögen und Einkommen. Im Vorfeld der Abstimmung wird die Frage nach der Auswirkung der Steuerinitiative auf die Immobilienpreise in den steuergünstigen Kantone kontrovers diskutiert. Würde die höhere Belastung der höchsten Einkommen und Vermögen zu einem Einbruch der Preise führen? Eine Analyse der Zürcher Immobilienberatungsfirma IAZI sagt sogar Preisrückgänge von beinahe 30 Prozent in gewissen Schwyzer Gemeinden voraus. Ist das realistisch? Oder, allgemeiner gefragt: Inwiefern schlagen sich lokale Unterschiede in der Steuerbelastung in den Immobilienpreisen nieder?
Diese Fragen lassen sich am bestem mit Hilfe eines kleinen Gedankenexperimentes klären. Man stelle sich vor, ein bekannter Milliardär – wir nennen ihn Dagobert Duck – sei auf der Suche nach einer Villa in einer steuergünstigen Schwyzer Gemeinde. Ein lokaler Makler hat ein passendes Objekt ausfindig gemacht, das zum Verkauf steht. Zum Leidwesen von Duck haben noch weitere Personen ihr Interesse am Objekt angemeldet. Im Unterschied zu Dagobert sind diese Interessenten jedoch keine Milliardäre, sondern bloss Millionäre. Ducks Vermögen übertrifft also jenes der Mitbietenden um ein Vielfaches. Wie viel soll Duck für das Objekt bieten?
Als Milliardär wäre er durchaus in der Lage, deutlich mehr als seine Mitbewerber zu zahlen. Das ist allerdings gar nicht nötig. Um die Villa zu erwerben, muss Dagobert Duck bloss einen Franken mehr als das zweithöchste Gebot bieten. Der Liegenschaftspreis drückt also nicht Ducks Zahlungsbereitschaft aus. Sie entspricht jener des meistbietenden Millionärs, der beim Hauskauf leer ausgeht.
Nun kommt für Duck eine böse Überraschung. Kurz vor Verkaufsabschluss erfährt er, dass demnächst eine Sondersteuer auf seinem Vermögen eingeführt werden soll. Die „Lex Dagobert“ trifft nur Milliardäre. Millionäre sollen ausdrücklich davon verschont bleiben. Angenommen Duck sei am Villenkauf weiterhin interessiert, soll er sein Angebot überdenken?
Auf keinen Fall. Die Situation der mitbietenden Millionäre hat sich nicht verändert. Sie werden ihre Zahlungsbereitschaft für das Objekt nicht revidieren. Folglich wird Duck für den Erwerb der Villa gleich viel ausgeben müssen.
Die Analogie mit den möglichen Auswirkungen der Steuerinitiative ist offensichtlich. Schweizweit würden die revidierten Grenzsteuersätze nur einen sehr kleinen Anteil der Steuerzahler betreffen. Sogar in Wollerau wären weniger als 15 Prozent der Steuerzahler von der Erhöhung der Grenzsteuersätze auf der Einkommenssteuer betroffen. Zudem versteuerten im Jahr 2006 „nur“ 12 Prozent der Steuerpflichtige ein Vermögen von mehr als zwei Millionen und wären somit von den höheren marginalen Vermögenssteuersätzen tangiert. Wie der Dagobert Duck unseres Gedankenexperimentes üben die reichsten Zuzüger in diesen Gemeinden einen geringen Einfluss auf die Preise aus. Womöglich ist die Wirkung auf einige Luxusvillenviertel begrenzt. So gesehen erscheint der angekündigte Preiszerfall schlichtweg unrealistisch.
Üben also Unterschiede in der Steuerbelastung keine Wirkung auf die Immobilienpreise aus? Doch, sehr wohl. Das Regionenrating der ZKB zeigt, dass die Eigenheimpreise in Wollerau – obwohl deutlich tiefer als in der Stadt Zürich und an der Goldküste – circa 15 Prozent höher als in den benachbarten Zürcher Gemeinden liegen. Der Unterschied lässt sich direkt auf die tiefere Steuerbelastung zurückführen. Es sind jedoch die, relativ gesehen, etwas tieferen Einkommensklassen, welche die Preise in der Gemeinde bewegen – nicht die Spitzenverdiener. Die steuerliche Belastung des wohlhabenden Mittelstandes würde auch nach einer Annahme der Initiative niedriger als in den umliegenden Gemeinden bleiben. Die Eigenheimpreise würden entsprechend auf dem höheren Niveau verharren.
Zusammenfassend stellen wir fest, dass nicht sämtliche Steuervorteile in den Boden- und Immobilienpreisen kapitalisiert werden. Wäre dies der Fall, hätte der "Steuertourismus" nie eingesetzt. Für die Haushalte mit den höchsten Einkommen kann sich ein Umzug in eine steuergünstige Gemeinde durchaus lohnen. Unser Gedankenexperiment zeigt jedoch auf, dass eine Erhöhung der Steuerbelastung, welche möglicherweise nur wenige Steuerzahler betrifft, keinen allgemeinen Immobiliencrash in der Zentralschweiz verursachen wird.
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Montag, 22. November 2010
Donnerstag, 28. Oktober 2010
Wer freut sich über steigende Eigenheimpreise?
"Welcher Hausbesitzer freut sich nicht darüber, wenn seine Immobilie an Wert gewinnt?" Diese rhetorische Frage stellte vor kurzem Klaus Wellershoff, ehemaliger UBS-Chefökonom, in einem Interview. In dieser Aussage steckt implizit die Idee, dass steigende Immobilienpreise das Vermögen der Eigenheimbesitzer erhöhen, was natürlich positiv wäre. Doch ökonomisch greift die Analyse zu kurz. Man kann sich leicht Situationen vorstellen, in denen ein Preisanstieg die Eigenheimbesitzer nicht besser stellt.
Betrachten wir als Beispiel den Fall Romeos, der in Genf wohnt und arbeitet. Seine Stelle wird nach Zürich verlagert. Romeo entscheidet sich für einen Umzug nach Zürich. Er verkauft seine Genfer Eigentumswohnung, die in den letzten Jahren stark an Wert gewonnen hat. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe in Zürich merkt Romeo jedoch schnell, dass die Preise nicht nur in Genf sondern auch in Zürich gestiegen sind. Romeo hat keinen Grund, sich über die gestiegenen Preise zu freuen.
Wäre Romeo besser gestellt, wenn er sich jetzt für eine Mietwohnung entscheiden würde? Nicht unbedingt. Preise und Mieten sind stark korreliert – steigen erstere, steigen in der Regel auch letztere. Dies gilt insbesondere für Mieten von neu vermieteten Wohnungen, welche de facto der Mietregulierung nicht unterstellt sind. Das ist nicht weiter überraschend: Der Preis eines Hauses errechnet sich zum grossen Teil als Summe aller erwarteten auf heute abdiskontierten zukünftigen Mieterträge. Steigt der Preis, so müssen – bei gleichem Kapitalisierungssatz – auch die erwarteten Mieten gestiegen sein.
Aus finanzökonomischer Sicht macht Romeos Beispiel klar, dass der Eigenheimbesitz finanziell am besten als Absicherung (Hedge) gegen Mietpreisveränderungen verstanden werden kann. Steigen die (Opportunitäts-)kosten des Wohnens, steigen die Preise. Das Umgekehrte gilt aber auch: Fallen die Wohnkosten, so fällt in der Regel der Marktwert eines vergleichbaren Eigenheimes. Wer also Eigenheime als normales Investment betrachtet, vergisst die Hälfte der Geschichte. Eigenheime stellen nicht nur eine Anlage dar – sie sind auch ein Konsumgut. Ein Eigenheim kann man bewohnen, nicht so ein Aktienportfolio. Im Gegenteil zu den meisten anderen Anlagekategorien liefern Eigenheime einen konsumptiven Nutzen. Es ist also unklar, inwiefern Eigenheime als Teil des Nettovermögens des durchschnittlichen Eigenheimbesitzers gezählt werden sollen. Anders gesagt, es ist fraglich, ob Eigenheimbesitzer ihre Konsumentscheidungen – sprich, ihr Verhalten – ändern, wenn sich die Eigenheimpreise bewegen. Nicht mal über steigende Preise kann man sich heute ungeniert freuen...
Betrachten wir als Beispiel den Fall Romeos, der in Genf wohnt und arbeitet. Seine Stelle wird nach Zürich verlagert. Romeo entscheidet sich für einen Umzug nach Zürich. Er verkauft seine Genfer Eigentumswohnung, die in den letzten Jahren stark an Wert gewonnen hat. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe in Zürich merkt Romeo jedoch schnell, dass die Preise nicht nur in Genf sondern auch in Zürich gestiegen sind. Romeo hat keinen Grund, sich über die gestiegenen Preise zu freuen.
Wäre Romeo besser gestellt, wenn er sich jetzt für eine Mietwohnung entscheiden würde? Nicht unbedingt. Preise und Mieten sind stark korreliert – steigen erstere, steigen in der Regel auch letztere. Dies gilt insbesondere für Mieten von neu vermieteten Wohnungen, welche de facto der Mietregulierung nicht unterstellt sind. Das ist nicht weiter überraschend: Der Preis eines Hauses errechnet sich zum grossen Teil als Summe aller erwarteten auf heute abdiskontierten zukünftigen Mieterträge. Steigt der Preis, so müssen – bei gleichem Kapitalisierungssatz – auch die erwarteten Mieten gestiegen sein.
Aus finanzökonomischer Sicht macht Romeos Beispiel klar, dass der Eigenheimbesitz finanziell am besten als Absicherung (Hedge) gegen Mietpreisveränderungen verstanden werden kann. Steigen die (Opportunitäts-)kosten des Wohnens, steigen die Preise. Das Umgekehrte gilt aber auch: Fallen die Wohnkosten, so fällt in der Regel der Marktwert eines vergleichbaren Eigenheimes. Wer also Eigenheime als normales Investment betrachtet, vergisst die Hälfte der Geschichte. Eigenheime stellen nicht nur eine Anlage dar – sie sind auch ein Konsumgut. Ein Eigenheim kann man bewohnen, nicht so ein Aktienportfolio. Im Gegenteil zu den meisten anderen Anlagekategorien liefern Eigenheime einen konsumptiven Nutzen. Es ist also unklar, inwiefern Eigenheime als Teil des Nettovermögens des durchschnittlichen Eigenheimbesitzers gezählt werden sollen. Anders gesagt, es ist fraglich, ob Eigenheimbesitzer ihre Konsumentscheidungen – sprich, ihr Verhalten – ändern, wenn sich die Eigenheimpreise bewegen. Nicht mal über steigende Preise kann man sich heute ungeniert freuen...
Freitag, 26. März 2010
Aus der Sonderbeilage Immobilien der NZZ
Die neueste Sonderbeilage Immobilien der NZZ ist äusserst gut gemacht. Dieses Mal ist eine klare Linie erkennbar. Man könnte die Beilage mit einen Satz zusammenfassen: Wir müssen verdichten!
Leider ist die Beilage noch nicht online verfügbar. Schade, weil sie auch einige Perlen enthält, die das Herz jedes stadtökonomisch interessierten Besserwissers höher schlagen lassen. Wie zum Beispiel die folgende Aussage:
Leider ist die Beilage noch nicht online verfügbar. Schade, weil sie auch einige Perlen enthält, die das Herz jedes stadtökonomisch interessierten Besserwissers höher schlagen lassen. Wie zum Beispiel die folgende Aussage:
"Eine – ebenfalls bereits praktizierte – Alternative [um die Landpreise zu senken] sind Ausnützungsboni bei kostengünstigem Bauen, was faktisch einer Landverbilligung gleichkommt."
Stimmt das? Nehmen wir mal an, der Bauherr könne mit einem Ausnützungsbonus rechnen. Der Bonus erhöht den Wert der Liegenschaft, weil der Bauherr jetzt mehr Wohnfläche erstellen darf. Die Bodenpreise ergeben sich als Differenz (Residualwert) von Immobilienpreis und Baukosten. Mit dem Ausnützungsbonus werden also die Landpreise entsprechend... steigen. Die höhere Ausnützung wird im Bodenpreis kapitalisiert. Es sei denn, die für den Investor optimale Dichte läge unter der maximal zulässigen Dichte. Dann hätte ein Ausnützungsbonus gar keine Wirkung auf die Landpreise.
Sonntag, 21. Februar 2010
Hohe Zürcher Mieten?
Die Mieten sind so hoch, dass sich nur die wenigsten eine Wohnung in der Stadt leisten können.
Wie oft haben Sie diese Aussage gelesen oder gehört? Wenn Sie in der Stadt Zürich wohnen, bestimmt sehr oft -- in zwei Wochen finden die Wahlen statt. Wiederholung allein reicht allerdings nicht, um den Satz richtig zu machen. In Wahrheit sind die Mieten deshalb hoch, weil sich so viele Leute eine Wohnung in der Stadt leisten können. Die Ursache der hohen Mieten ist die grosse Nachfrage nach Wohnraum. Die Nachfrage ist gross, wenn sich viele das Wohnen in der Stadt leisten wollen -- und können. In Zürich deuten die tiefen Leerstände eher darauf hin, dass die Mieten nach wie vor zu billig sind.
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