Donnerstag, 28. Oktober 2010

Wer freut sich über steigende Eigenheimpreise?

"Welcher Hausbesitzer freut sich nicht darüber, wenn seine Immobilie an Wert gewinnt?" Diese rhetorische Frage stellte vor kurzem Klaus Wellershoff, ehemaliger UBS-Chefökonom, in einem Interview. In dieser Aussage steckt implizit die Idee, dass steigende Immobilienpreise das Vermögen der Eigenheimbesitzer erhöhen, was natürlich positiv wäre. Doch ökonomisch greift die Analyse zu kurz. Man kann sich leicht Situationen vorstellen, in denen ein Preisanstieg die Eigenheimbesitzer nicht besser stellt.

Betrachten wir als Beispiel den Fall Romeos, der in Genf wohnt und arbeitet. Seine Stelle wird nach Zürich verlagert. Romeo entscheidet sich für einen Umzug nach Zürich. Er verkauft seine Genfer Eigentumswohnung, die in den letzten Jahren stark an Wert gewonnen hat. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe in Zürich merkt Romeo jedoch schnell, dass die Preise nicht nur in Genf sondern auch in Zürich gestiegen sind. Romeo hat keinen Grund, sich über die gestiegenen Preise zu freuen.

Wäre Romeo besser gestellt, wenn er sich jetzt für eine Mietwohnung entscheiden würde? Nicht unbedingt. Preise und Mieten sind stark korreliert – steigen erstere, steigen in der Regel auch letztere. Dies gilt insbesondere für Mieten von neu vermieteten Wohnungen, welche de facto der Mietregulierung nicht unterstellt sind. Das ist nicht weiter überraschend: Der Preis eines Hauses errechnet sich zum grossen Teil als Summe aller erwarteten auf heute abdiskontierten zukünftigen Mieterträge. Steigt der Preis, so müssen – bei gleichem Kapitalisierungssatz – auch die erwarteten Mieten gestiegen sein.

Aus finanzökonomischer Sicht macht Romeos Beispiel klar, dass der Eigenheimbesitz finanziell am besten als Absicherung (Hedge) gegen Mietpreisveränderungen verstanden werden kann. Steigen die (Opportunitäts-)kosten des Wohnens, steigen die Preise. Das Umgekehrte gilt aber auch: Fallen die Wohnkosten, so fällt in der Regel der Marktwert eines vergleichbaren Eigenheimes. Wer also Eigenheime als normales Investment betrachtet, vergisst die Hälfte der Geschichte. Eigenheime stellen nicht nur eine Anlage dar – sie sind auch ein Konsumgut. Ein Eigenheim kann man bewohnen, nicht so ein Aktienportfolio. Im Gegenteil zu den meisten anderen Anlagekategorien liefern Eigenheime einen konsumptiven Nutzen. Es ist also unklar, inwiefern Eigenheime als Teil des Nettovermögens des durchschnittlichen Eigenheimbesitzers gezählt werden sollen. Anders gesagt, es ist fraglich, ob Eigenheimbesitzer ihre Konsumentscheidungen – sprich, ihr Verhalten – ändern, wenn sich die Eigenheimpreise bewegen. Nicht mal über steigende Preise kann man sich heute ungeniert freuen...
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