Freitag, 22. Oktober 2010

Die risikolose Hypothek gibt es nicht

Unterschätzen Hypothekarnehmer –- insbesondere Eigenheimbesitzer -- die Risiken, die sie mit dem Abschluss einer Fremdfinanzierung eingehen? Geldmarkthypotheken -- auch als Libor-Hypotheken bekannt --, deren Zinszahlungen an einen kurzfristigen Zinssatz gebunden sind, gelten als besonders riskant. Diese machen heute mehr als zehn Prozent der ausstehenden Hypotheken aus, doppelt so viele wie vor dem Einsetzen der Finanzkrise und der aktuellen Phase äusserst tiefer Nominalzinsen. Doch die Analysen greifen oft zu kurz. Jede Art von Finanzierung ist mit Risiken behaftet. Je nach Produkt sind die Risikotreiber unterschiedlich. Grundsätzlich sind zwei Risikokategorien auszumachen:

Einkommensrisiko. Dieses Risiko ist höher bei jenen Haushalten, die eine variable Hypothek, beispielsweise eine Geldmarkthypothek ohne Zinsabsicherung, abschliessen. Bei einem starken Zinsanstieg müssten Haushalte ihren Konsum einschränken, um ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

Vermögensrisiko. Der Abschluss einer Festhypothek ist hingegen mit Risiken verbunden, wenn die Inflation nach dem Abschluss unerwartet tief ausfällt und die Finanzierung eine lange Laufzeit aufweist. Der Haushalt hat sich verpflichtet, eine nominal fixe Hypothekarzahlung zu leisten, die infolge der tiefen Inflation real stark an Wert zugenommen hat.


Nicht alle Haushalte sind den Einkommens- und Vermögensrisiken gleich ausgesetzt. Eigentümer, die ein im Vergleich zu ihrem laufenden Einkommen teueres Haus besitzen oder deren Einkünfte stark schwanken, sind dem Einkommensrisiko von Geldmarkthypotheken besonders exponiert. Dieses Risiko würde aber nur bei den Haushalten greifen, die nicht in der Lage wären, sich weiter zu verschulden. Tief belehnte Schuldner könnten den vorübergehenden Einkommensausfall möglicherweise mit einer Erhöhung der Hypothek begleichen. Deshalb muss jede sinnvolle Messung der finanziellen Tragbarkeit der Hypothek nicht nur die laufenden Einkommensverhältnisse, sondern auch die Vermögenssituation berücksichtigen.

Wer hingegen das Risiko steigender Zinssätze hervorhebt und zur möglichst langen Bindung mittels langfristiger Festhypotheken rät, übersieht, dass sich die Bewegung der langfristigen Zinssätze äusserst schwer prognostizieren lässt. Auch wenn das heutige Zinsniveau besonders tief erscheint, ist eine lange Phase negativer Inflation – wie die Erfahrung Japans zuletzt zeigte – keineswegs ausgeschlossen. Die Konsequenz wäre eine Zunahme der realen Hypothekarlast und der Vermögensrisiken von Festhypotheken. Aua!
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